Veranstaltung: | Unterbezirksdelegiertenkonferenz 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8.2 Andere Anträge (Reihenfolge nach Priorisierung der Delegierten) |
Antragsteller*in: | SB Rodenkirchen |
Status: | Angenommen (Ja 72, Nein 1, Enthaltung 1) |
Beschlossen am: | 12.02.2022 |
Eingereicht: | 12.02.2022, 14:17 |
A8: Die Stadt gehört uns allen – gegen defensive Architektur und für ein diverses Stadtbild
Weiterleitung
- Weiterleitung an:
- Parteitag der KölnSPD, Ratsfraktion der KölnSPD
Antragstext
Jede*r kennt sie – unterteilte Bänke oder Bänke mit Löchern, Metallstifte unter
Brücken, elektronische Überwachungstechniken oder auch „Skaterschutz“ aus Metall
oder Hartgummi. Doch wozu dienen diese Maßnahmen?
Als Teil der so genannten defensiven Architektur zielen sie darauf ab, bestimmte
Personengruppen von öffentlichen Räumen fernzuhalten und aus diesen
auszugrenzen.
Auch in Köln sind viele dieser Maßnahmen aufzufinden. Seien es die extra
schmalen Bänke an der Severinstraße, die Scheinwerfer am Aachener Weiher oder
auch die vor ein paar Monaten angebrachte Eisenstange auf dem Mäuerchen
(Universität zu Köln). Gefordert werden sie unter anderem von aufgebrachten
Haus- und Grundbesitzer*innen und Geschäftsleuten in Bürgerinitiativen zum
Schutz der Kölner Innenstadt mit Unterstützung von Bundestagskandidat*innen von
den Freien Wählern im September vergangenen Jahres.
Die Idee, die dahintersteckt? Durch eine neoliberale Stadtentwicklungspolitik
werden öffentliche Räume ausgehend von den Interessen gewinnorientierter
Unternehmen und sozioökonomisch privilegierter Bewohner*innen kommerzialisiert
und kommodifiziert. Das Motiv hinter dieser auf öffentliche Ordnung und
Sicherheit ausgerichteten Stadt- und Raumplanung ist ein von der privilegierten
"Mehrheitsgesellschaft" wahrgenommener Zuwachs an Kriminalität in Städten,
welcher ihrem Empfinden nach von den Marginalisierten und insbesondere
Obdachlosen ausgeht. Demzufolge müsse die Präsenz der Randgruppen mit
vermeintlich kriminellem Verhalten zum Schutze der “Mehrheitsgesellschaft”
verringert werden.
Doch dieser empfundene Zuwachs an Kriminalität in öffentlichen Räumen kann durch
polizeiliche Statistiken nicht belegt werden, ganz im Gegenteil ist die
Gesamtzahl an Straftaten in Deutschland seit Jahren rückläufig und wenn jemand
von Gewalt betroffen ist, sind das in vielen Fällen Obdachlose und ausgegrenzte
Menschen selbst. Sieht man sich jedoch genauer an, wen die Auswirkungen
defensiver Architektur am stärksten betreffen - nämlich alle vulnerablen
Gruppen, also z.B. auch ältere und behinderte Menschen, die genauso auf Plätze
zum Ausruhen und Verweilen im öffentlichen Raum angewiesen sind - wird deutlich,
dass hier vielmehr die Gesamtgesellschaft unter den Interessen Einzelner leidet.
Gerade auf Obdachlose haben diese Maßnahmen einen großen psychologischen und
physischen Effekt. Sie erschweren die ohnehin schwierigen Lebensumstände von
Obdachlosen Personen durch zusätzliche Stigmatisierung sowie Gefühle wie Scham
und Ausgegrenzt-Sein, aber sorgen auch dafür, dass diese in immer schwieriger
bewohnbare, unkomfortable Ecken der Stadt ziehen müssen, die ihren Zugang zu
Hygiene, Privatsphäre und einem Schlafplatz immer weiter erschweren. Unser Ziel
sollte es sein, die Obdachlosigkeit zu bekämpfen und nicht die Obdachlosen.
Auch für Jugendliche sind die öffentlichen Räume oftmals erster Anlaufpunkt zum
Verweilen. Gerade sozioökonomisch benachteiligte Jugendliche sind die, die am
meisten auf freien und zugänglichen öffentlichen Raum angewiesen sind. In Zeiten
der Corona-Pandemie wird dieses Bedürfnis zusätzlich verstärkt. Es müssen daher
eher mehr Räume für Jugendliche geschaffen und nicht Räume zerstört werden!
Indem man unerwünschte Bürger*innen von den öffentlichen Räumen fernhält,
unterstützt man lediglich die städtische Segregation, verschiebt die Problematik
und sorgt für eine oberflächliche Homogenisierung des Stadtbildes durch die
Verdrängung von Armut, sozialem Verfall und öffentlicher Unordnung.
Dies gefährdet jedoch das Wesen der Vielfalt im städtischen Umfeld und stellt in
Frage, ob der öffentliche Raum wirklich frei und demokratisch ist. Gerade die
Bedürfnisse der an den Rand gedrängten Menschen in unserer Gesellschaft müssen
bei der Stadtplanung eingehend berücksichtigt werden. Der öffentliche Raum wird
entsprechend einer imaginierten, idealisierten "Öffentlichkeit" gestaltet, die
Angst vor Kriminalität hat, Obdachlosigkeit als unangenehm empfindet, sich durch
Betteln bedroht fühlt usw.
Es müssen nachhaltige Lösungen für zugrundeliegende soziale Probleme gefunden
werden, die nicht nur Symptome bekämpfen. Diese müssen im Sinne der
Stadtgemeinschaft konstruktiv gelöst werden, z. B. durch bessere Unterbringungs-
und Hygienemöglichkeiten sowie ein Minimum an niedrigschwelliger und leicht
zugänglicher gesundheitlicher Versorgung für Obdachlose. Positive Entwicklungen
im Raum Köln sind beispielsweise die mobilen Tiny Houses von "Little Home e.V."
und die Wohnungslosenhilfe "Housing First", die seit 2020 acht Menschen in ein
festes Mietverhältnis gebracht hat.
Das subjektive Gefühl von Unsicherheit und Unbehagen darf also auf keinen Fall
der geltende Maßstab für politisches Handeln sein, sondern das für alle Menschen
geltende Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit sowie das Recht
aller Menschen auf die Nutzung öffentlicher Räume. Außerdem müssen wir uns als
sozialistische Gemeinschaft jeglichen Entwicklungen der neoliberalen Stadt- und
Raumplanung entgegenstellen, die die Vorstellungen einzelner Privilegierter von
einem vermeintlich entkriminalisierten und ansprechenden Stadtbild über die
Menschenwürde marginalisierter Gruppen stellt.
Die Stadt gehört uns allen - es darf nicht zu einer "klassenbasierten
Raumordnung" im öffentlichen Raum kommen und daher fordern wir:
- Das Verbot des Einsatzes von defensiver Architektur und ihren Maßnahmen
durch die Stadt Köln, städtische Unternehmen sowie im öffentlichen Raum,
sofern dieser im städtischen Eigentum ist,
- die Positionierung des Rats gegen den Einsatz defensiver Architektur und
ihren Maßnahmen durch Private,
- bei neuen Bauprojekten dürfen keine abgeschotteten Viertel entstehen und
es muss allen Menschen der Aufenthalt erlaubt sein.
Begründung
Erfolgt mündlich.
Änderungsanträge
- Ä1 (SB Lindenthal, Zurückgezogen)