Veranstaltung: | Unterbezirksdelegiertenkonferenz 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8.2 Andere Anträge (Reihenfolge nach Priorisierung der Delegierten) |
Antragsteller*in: | SB Ehrenfeld |
Status: | Angenommen (Ja 63, Nein 2, Enthaltung 7) |
Beschlossen am: | 12.02.2022 |
Eingereicht: | 27.01.2022, 15:22 |
A3: Wissenschaft nicht dem Markt überlassen - Gegen die Neoliberalisierung der deutschen Hochschullandschaft
Weiterleitung
- Weiterleitung an:
- Landeskonferenz NRW Jusos, Parteitag KölnSPD
Antragstext
Die Tendenzen neoliberaler Hochschulpolitik sind in den letzten Jahren immer
stärker sichtbar geworden. So hat beispielsweise die schwarz-gelbe
Landesregierung mit der Reduktion des Unterrichtsfaches Sozialwissenschaften auf
die Bereiche Wirtschaft und Politik, dem überstürzten Umbau der Curricula und
der damit einhergehenden Anpassung des Lehramtsstudiengangs deutlich gemacht,
dass ihr ökonomische Bildung wichtiger ist als politische. Widerstand und
Bedenken von Schüler*innen, Studierenden, Lehrer*innen, Wissenschaft, der GEW
und weiteren Verbänden wurden ignoriert, um das eigene Prestigeprojekt
durchzusetzen. Jubeln können nun nur die Unternehmen und deren
Interessenverbände.
Der Umgang mit dem Schul- und Studienfach SoWi ist dabei nur ein Ausdruck der
neoliberalen Vorstellung von Bildung und dem Wunsch nach einer marktförmigen
Verwertung von Wissenschaft, welche unter der aktuellen Regierung in NRW weiter
vorangetrieben werden kann. Staatliche Hochschulen befinden sich in diesem
System im ständigen Wettkampf um Fördergelder und Drittmittel. Hochschulen,
Fachbereiche und Disziplinen, aber auch einzelne Wissenschaftler*innen und
Studierende sehen sich dem Druck ausgesetzt „wirtschaftlich verwertbare“
Ergebnisse zu liefern, um überhaupt Mittel für Forschung generieren zu können.
Universitäten und Hochschulen funktionieren in diesem neoliberalen System
zunehmend als kleine Unternehmen, die mit möglichst wenig Forschungsgeldern
möglichst viel ökonomisch relevanten Output produzieren sollen.
Verstärkt werden solche Tendenzen auch durch die Exzellenzstrategie des Bundes,
mit deren Hilfe Deutschland als internationaler Forschungsstandort gestärkt
werden soll. Die Exzellenzförderung verkennt hierbei jedoch, dass eine
Etablierung Deutschlands als internationale Forschungsgröße bereits an der
unzureichenden Grundfinanzierung der deutschen Hochschulen scheitert.
Verlierer*innen dieser Effizienzideologie sind vor allem geistes- und
sozialwissenschaftliche Fächer, da sich diese nicht hinsichtlich ihrer
ökonomischen Verwertbarkeit klassifizieren lassen.
Im Spannungsfeld von Wettbewerb, Exzellenzstrategie und Unterfinanzierung leiden
besonders die Mitarbeiter*innen ohne Professur: Sie tragen die Hauptlast von
Lehre und Forschung, sind häufig nur mit kurzen Verträgen und auf halbe Stellen
angestellt und scheiden nach maximal 12 Jahren aus dem Wissenschaftsbetrieb aus,
wenn sie keine der rar gesäten Professor*innenstellen ergattern. Initiativen wie
#ichbinhanna und #ichbinreyhan zeigen, dass Existenzängste und die hohe
Arbeitsbelastung dazu führen, dass sich viele entscheiden frühzeitig die
Wissenschaft zu verlassen oder im Ausland ihr Glück versuchen. In der stark
prekarisierten Wissenschaft überlebt nur, wer über ausreichende finanziellen
Ressourcen und Netzwerke verfügt.
Wissenschaft sollte aber nicht aufgrund ihrer Verwertbarkeit und der
Kapitalisierung von Forschung betrieben werden - es braucht die
wissenschaftlichen Erkenntnisse und Innovationen, um die Herausforderungen und
Fragen unserer Gesellschaft zu meistern und zu beantworten.
Deswegen fordern wir:
Abkehr von der Idee der “unternehmerischen” Hochschule und des
meritokratischen Narrativs, also der Vorstellung, dass alle über die
gleichen Chancen und Bedingungen für einen Bildungsaufstieg verfügen und
es “nur am Engagement der Einzelnen” läge.
Förderung von Kooperationen zwischen Hochschulen, Disziplinen und
Wissenschaftler*innen im Sinne einer solidarischen Wissenschaft statt
eines kopflosen Wettbewerbs. Die künftige Landesregierung sollte sich
daher für die Abschaffung der Exzellenzinitiative einsetzen.
Bildung liegt in den Händen des Landes und muss dementsprechend
ausreichend finanziert werden. Dafür braucht es eine Reformierung der
Finanzierung der Hochschulen im Sinne einer umfassenden Grundfinanzierung
statt einer Vielzahl befristeter Programme. Diese muss entfristete Mittel
für die Anstellung Dozierender beinhalten, damit es Dauerstellen für
Daueraufgaben gibt und Betreuungsrelationen verbessert werden. Mittel aus
dem Hochschulpakt (HSP) und dem Zukunftsvertrag Studium und Lehre (ZVL)
müssen dabei wieder an die Lehre gebunden werden, damit diese nicht
anderweitig eingesetzt werden können.
Forschen und Lehren muss von sozialer Herkunft entkoppelt werden und darf
nicht Privileg einiger weniger sein, deren Eltern zufällig selbst
Professor*innen mit ausreichend Kapital sind. Dazu braucht es ein Ende der
prekären Verhältnisse der Wissenschaft und die Schaffung nachhaltiger
Zukunftsperspektiven.
Begründung
“Geld ist rund und rollt weg, aber Bildung bleibt.” Heinrich Heine, Dichter (und Homie von Karl Marx)
Änderungsanträge
- Ä1 (SB Lindenthal, Zurückgezogen)