Veranstaltung: | Unterbezirksdelegiertenkonferenz 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 9.1. Beratung der restlichen Anträge |
Antragsteller*in: | Roter Salon |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 12.01.2024, 21:03 |
A24: Noch einmal Jungfrau für 2500€
Weiterleitung
- Weiterleitung an:
- Der Rote Salon
Antragstext
Der Rote Salon fordert Aufklärung statt Profit!
1. Die Kosten für eine „Hymenoplastik“ dürfen nicht höher sein als die Material-
und Personalkosten, die dabei entstehen.
2. Ärztliche Pflicht zur Aufklärung über das Hymen und den Mythos des
Jungfernhäutchens.
3. Ausbau von Anlaufstellen für Frauen und Mädchen, die kultur- traditionellem
oder religiösem Druck, des Konstrukts „Jungfernhäutchen“ ausgesetzt sind. Damit
einhergehend sollen kostenfreie Angebote für effektivere und weniger radikale
und zudem unbedenkliche Alternativen angeboten werden, wie beispielsweise
Blutkapsel.
4. Aufklärungspflicht in der Schule durch Sexualberater*innen
Begründung
Begründung:
+++ Kleiner Disclaimer vorab: Es wurden einige Anlaufstellen für Frauen und Chirurg*innen selbst angefragt, jedoch kamen die Rückmeldung nicht mehr rechtzeitig, vor Abgabe der Anträge an. Daher erfolgt eine Ergänzung aus fachlicher Sicht mündlich. +++
Einführung in die Thematik:
In einigen Kulturen wird von Frauen erwartet, dass sie Jungfräulich in die Ehe gehen. Ihre Jungfräulichkeit gilt nicht etwa, dann als bewiesen, wenn die Frauen sagen Sie hätten noch keinen penetrativen Sex gehabt, sondern dann, wenn von der Hochzeitsnacht Blut im Laken zurückbleibt. Diesen kulturellen, traditionellen und religiösen Erwartungen, können die betroffenen Frauen, jedoch rein aus Anatomischer Gründen nicht mit Sicherheit gerecht werden. Das sogenannte „Jungfernhäutchen“ oder medizinisch korrekt „Hymen“, ist keine Frischhaltefolien artige Schicht, die den Vaginaleingang verschließt und beim penetrativen Sex einreißt, sondern mehr ein dehnbaren Schleimhautkranz, auch vulvinale Korona genannt. Dessen Beschaffenheit ist von Person zu Person und unabhängig von jeglichen sexuellen Vorerfahrungen verschieden. Wenn es beim ersten Sex zur Blutung kommt, dann handelt es sich meist dabei, um eine Verletzung der inneren Schleimhaut. Das "Jungfernhäutchen" ist einzig und allein eine Erfindung des Patriarchats aus einer Zeit, in der Frauen noch als Besitztum des Mannes angesehen wurden und dient der Unterdrückung der Sexuellenfreiheit der Frau. Einige betroffene Frauen wenden sich deshalb hilfesuchend, an Plastische Chirurg*innen, die eine sogenannte „Jungfernhäutchen Rekonstruktion" oder auch „Hymenoplastik“ anbieten. Dies ist ein chirurgischer Eingriff, der darauf abzielt, den Eindruck zu erwecken, dass das „Jungfernhäutchen“ einer Frau wieder „intakt“ ist.
Die Operationen können unterschiedlich ablaufen. Eine Methode ist die Verengung vom Hymen. Dabei wird meist unter lokaler Betäubung, das Hymen fein eingeschnitten und die dadurch entstandenen Wundflächen wieder zusammengenäht. Wie jede Operation, ist auch diese nicht risikofrei. Postoperative Blutungen, Infektionen und Störungen der Wundheilung sind mögliche Folgen.
Problematik:
Wenn man online nach Anbietern für die „Hymenoplastik“ sucht, dann findet man nur wenige Chirurg*innen, die über das „Jungfernhäutchen“ aufklären und gleichzeitig Verständnis für die Betroffenen zeigen (Jugendliebe). Die meisten Suchtreffer sind Anbieter*innen die implizieren, dass sie das „gerissene Jungfernhäutchen“ wieder verschließen können. Sie werben mit Sätzen wie “Jungfernhäutchen wiederherstellen – Der diskrete Eingriff für Ihre Reinheit“ (aesthetix). Auch Plattformen die vermeidlich über die Rekonstruktion aufklären verwenden Sätze wie „Sind noch Überreste des ersten Jungfernhäutchens vorhanden, wirkt sich dieser Aspekt positiv auf den (opertaions) Preis aus.“ (operation.net) Damit untermauern Sie den Mythos um die Jungfräulichkeit der Frau und werden ihrem Humanen und Ethischen-Auftrag nicht gerecht. Doch der fehlende Wille zur korrekten Aufklärung ist nicht allein das Problem, sondern die Bereicherung durch diese Art von Operationen. Nicht wenige Ärzt*innen berechnen ihren Patientinnen zwischen 1.200-3.500 € für die Operation. Sie nutzen damit die Not der Frauen aufs Bitterste aus. Hinzu kommt, dass die Operation noch lange keine Garantie dafür ist, dass die Frauen durch die „Blutprobe“ in der Hochzeitsnacht ihre Jungfräulichkeit „beweisen" können. Auch unternehmen machen mit dem Konzept der Jungfräulichkeit Geld und verlangen horrende Summen für Blutkapseln. Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Virginia Care. Die Blutkapsel sind eine gute und weniger radikale Alternative zu der „Hymenoplastik“. Die Kapseln können ein paar Stunden vor dem Geschlechtsverkehr eingeführt werden.
Quellen:
Westheimer, Ruth; Liebermann, Louis. (1990). Sex und Moral. Verlag Berlitz.
ARD Mediathek. (n.d.). Mythos Jungfernhäutchen. Verfügbar unter: https://www.ardmediathek.de/video/doku-und-reportage/mythos-jungfernhaeutchen/br-fernsehen/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvL2QwZjc1NTVjLWU4ODktNGQxO-S04ZTAyLTc5OWY2YjI2Y2E0Ng
Bibliothek der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. (n.d.). Vom Mythos Jungfernhaeutchen. Verfügbar unter: https://opendata.uni-halle.de/bitstream/1981185920/31840/1/B%C3%B6melburgRosa_Vom_Mythos_Jungfe-rnhaeutchen.pdf
Jugendliebe. (n.d.). Jungfernhäutchenrekonstruktion. Verfügbar unter: https://jugendliebe.de/jungfernhaeutchenrekonstruktion/
MCAesthetics. (n.d.). Jungfernhäutchen wiederherstellen. Verfügbar unter: https://mcaesthetics.de/jungfernhaeutchen-wiederherstellen/
Operation.net. (n.d.). Jungfernhäutchen rekonstruieren. Verfügbar unter: https://www.operation.net/operation/jungfernhaeutchen-rekonstruieren
SRF. (n.d.). Immer mehr Operationen - Das Diktat der Jungfräulichkeit. Verfügbar unter: https://www.srf.ch/news/schweiz/immer-mehr-operationen-das-diktat-der-jungfraeulichkeit
Virginia Care. (n.d.). VirginiaCare Blutkapseln. Verfügbar unter: https://www.virginia-care.de/products/virginiacare-blutkapseln
Universität Augsburg. (n.d.). Jungfernhaeutchen als Fetisch: Diskurse um sexuelle Anfangs- und Endpunkte in der zeitgenössischen Populärkultur. Verfügbar unter: https://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/80987/file/80987.pdf